Pressemitteilung des KA: "Wo sind wir denn?"
Der Katholikenausschuss ist über die verharmlosende und menschenverachtende Haltung des Kölner Generalvikars Msgr. Dr. Markus Hofmann - geäußert in einem Fernsehinterview der letzten Aprilwoche - ebenso wie viele Kölner Katholiken entsetzt und geradezu fassungslos. Die Einlassung belegt die uneinsichtige nur sich selbstschützende Haltung bei der Behandlung sexuellen Fehlverhaltens durch Priester im Verhältnis zu Minderjährigen aufs Neue.
Der Generalvikar hatte in dem Fernsehinterview festgestellt, das gemeinsame Masturbieren eines Priesters mit einem damals 17-jährigen Jungen im Schatten des Kölner Doms sei weder nach staatlichen noch kirchenrechtlichen Normen strafbar gewesen. Deshalb habe der Vorfall auch keinen Anlass gegeben, diesen Priester nicht in eine verantwortliche Position zu berufen.
Wo sind wir denn?
Die Einlassung belegt, dass die Verantwortlichen offenbar nur in straf- oder kirchenrechtlichen Verteidigungsstrategien denken. Ethisch-moralische oder gar christliche Wertmaßstäbe spielen aus opportunistischen Selbsterhaltungsreflexen in der Kirchenleitung offenbar keine Rolle mehr; erlaubt ist, was nicht verboten ist. Ist das unser Anspruch? So etwas darf nicht passieren – nicht einmal unbedacht.
Es vernichtet letztes Vertrauen in der Öffentlichkeit. Selbst besonnene und nachsichtige Gläubige, denen eine Abwendung von der Kirche nie in den Sinn gekommen wäre, sind entsetzt. Die Menschen sehnen sich nach guten Hirten, zugewandten und tatkräftigen Verantwortungsträgern, aufmerksamen Priestern, achtsamen Gesprächspartnern und glaubwürdigen Streitern für die Sache Jesu.
Wo sind wir denn?
Stattdessen wird argumentiert, es sei rechtlich für einen Priester nicht verboten, die Prostitution eines minderjährigen Jungen auszunutzen. In der Lebenswirklichkeit der meisten Gläubigen – und wohl auch der Gesellschaft insgesamt – ist es trotzdem nicht in Ordnung und qualifiziert definitiv nicht für verantwortliche Aufgaben in der Kirche.
Wo sind wir denn?
Wo sind wir, wenn in diesen Tagen ein weiterer verstörender Fall bekannt geworden ist: Ein durch sexuellen Missbrauch in einem Nachbarbistum auffällig gewordener Priester ist offenbar seit vielen Jahren – in exklusiver Kenntnis der Bistumsleitung – in einer Kölner Gemeinde tätig und behauptet, er habe alle offen über seine Verfehlungen unterrichtet; komischerweise erinnert sich niemand daran. Dieser Fall wurde nicht etwa deshalb bekannt, weil präventiv Maßnahmen des Erzbistums gegriffen haben, sondern deshalb, weil einschlägige Hinweise an die Öffentlichkeit zu gelangen drohten.
Das Gutachten der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte um Professor Gehrke vom 18. März 2021 hat katastrophale strukturell-organisatorische Mängel bei der Missbrauchsaufklärung und -bekämpfung in der Personalverwaltung des Erzbistums Köln nicht nur aufgedeckt, sondern bewiesen. Bekannt waren diese Mängel wie die befassten Personen vielen schon lange. Die verantwortlichen Erzbischöfe, Weihbischöfe, Generalvikare, Personalleiter, Offiziale und das Leitungspersonal der Rechtsabteilung hätten die Mängel kennen und beseitigen müssen. Das haben sie nicht getan. Sie versuchen bis heute, das offensichtlich Fehlerhafte ausschließlich rechtlich zu bewerten; ihr eindeutiges Organisationsverschulden hat in diesem Zusammenhang aber rechtlich keine Konsequenzen. Moral und Anstand werden so als Maßstab ausgeschaltet. Das darf nicht sein!
Stattdessen wurden Gremien, die auf Missstände hinwiesen, kaltgestellt, nicht angehört, ignoriert, ihre Arbeit behindert oder wurden wie Medienschaffende, beschimpft, mit unseligen Nazivergleichen überzogen oder als Nestbeschmutzer abgetan.
Die Bistumsleitung hat sich trotz intensiven Bemühens der Gremien entschieden, den Gesprächsfaden lieber aktiv abzureißen, statt sich ihrer Verantwortung im Gespräch zu stellen, um so Vertrauen für die Zukunft aufzubauen.
Die Geduld ist aufgebraucht.
Der Katholikenausschuss fordert daher Erzbischof Rainer Maria Kardinal Woelki, und seinen Generalvikar Msgr. Dr. Markus Hofmann auf,
- endlich öffentlich vernehmbar als glaubwürdige Hirten eine glaubhafte Auseinandersetzung mit der eigenen Verantwortung für Fehlentwicklungen und Fehlverhalten vorzunehmen und dabei
- endlich ernsthaft zu prüfen, ob sie entgegen der allgemeinen Wahrnehmung und objektiven Einschätzung überhaupt willens und in der Lage sind, die selbstangerichteten katastrophalen Probleme und Fehler zu beseitigen und
- endlich die Katholikinnen und Katholiken wissen zu lassen, warum sie glauben, für den dringend erforderlichen Veränderungsprozess noch die richtigen Personen zu sein. Nahezu jede ihrer Handlungen, jede Verlautbarung der letzten Wochen und Monate vermittelt genau den gegenteiligen Eindruck. Die Einschätzung, richtig gehandelt zu haben, haben die Verantwortungsträger derzeit exklusiv; und
- endlich klare und präzise Verantwortlichkeiten in der erzbischöflichen Organisation zu definieren und einzurichten und die eingetretenen Fortschritte regelmäßig und nachvollziehbar öffentlich zu kommunizieren. Veränderungen in Prozessen und eigenem Verhalten sind nicht ansatzweise erkennbar; und
- endlich die verharmlosende Darstellung und Herangehensweise bei sexuellem Fehlverhalten von Priestern und sonstigen Personen, die im kirchlichen Dienst stehen, zu beenden;
- endlich aufzuhören, die Verantwortung für Fehlentwicklungen bei anderen zu suchen; ohne alte Sprichwörter zu bemühen, aber das Problem fehlerhafter und schlechter Aufarbeitung liegt ohne Zweifel in der Spitze der Organisation;
- endlich die feudale Gestik gegenüber gewählten Personen und Gremien einzustellen. Sie sind bereit, in eine offenen Dialog einzutreten – sei es im Zusammenhang mit dem Missbrauchsskandal, dem Pastoralen Zukunftsweg, dem Synodalen Weg oder anderen Punkten, die Katholiken bewegen, wie die verachtende und unchristliche Ablehnung der Segnung von Menschen und vieles mehr.